Interview mit einer Auswanderin

Am Freitag den 28.06.2019 habe ich Karina, von dem Reiseblog https://www.gogetgoing.de/, im „Jardin Botanico de Medellin“ getroffen. Sofort haben wir angefangen uns über Medellin, die Menschen und die Mentalität zu unterhalten. Wir spazierten durch den Botanischen Garten bis Karina bemerkte, dass wir bereits zum zweiten mal an der selben Yogagruppe, für mich sah es aus wie Yoga, vorbei gekommen waren. So vertieft waren wir in unser Gespräch. Es hat sehr viel spaß gemacht und ich habe mich sehr gefreut sie kennenzulernen.

Lest jetzt das ganze Interview von Karina.

Auswanderungs Interview Kolumbien

Wie heißt du und woher kommst du?

Ich heiße Karina. Bei der Herkunft muss ich ein bisschen weiter ausholen: ich bin gebürtige Mecklenburgerin und schwärme bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Norddeutschland, (einfach weil ich es nicht mag, dass Deutschland im Ausland häufig mit Lederhosen und Kuckucksuhren gleichgesetzt wird). Mit Anfang 20 bin ich nach Bonn, ins Rheinland, gezogen und habe dort zehn Jahre verbracht, die natürlich auch ihre Spuren hinterlassen haben. Vor meiner Auswanderung nach Medellín habe ich dann in Magdeburg gearbeitet und gewohnt.

Warum bist du nach Medellin gekommen?

Mein Partner lebt und arbeitet hier.

Was arbeitest du in Medellin?

Seit Anfang dieses Jahres versuche ich, mir als Virtuelle Assistenz ein Standbein aufzubauen und führe einen kleinen, noch recht frischen Reiseblog. Darin möchte ich über meine liebsten Reiseziele berichten und natürlich auch viel über das Leben in Medellín schreiben.

Wie lange lebst du schon hier und in welchem Stadtteil?

Ich bin seit Juli 2018 in Medellín und lebe von Beginn an in Laureles. Ich mag, dass ich hier alles schnell und fußläufig erreichen kann.

Hattest du je das Gefühl, dass es hier nicht sicher ist?

Ehrlich gesagt, ist das Gefühl der Unsicherheit ständig da. Unterschwellig. Seit ich hier bin, habe ich zum Beispiel schon drei Erdbeben mitbekommen, was ich ziemlich beängstigend finde. In Deutschland passiert das ja eher selten.

Dazu kommt, dass ich immer wieder von Überfällen oder Einbrüchen im Freundes- und Bekanntenkreis höre. Bisher ist mir noch nichts passiert. Ich vermute das liegt daran, dass ich echt übervorsichtig bin: ich gehe nach Einbruch der Dunkelheit nicht alleine raus, ich laufe nicht mit dem Telefon in der Hand durch die Straßen und habe selten meine Kreditkarte dabei.

Hier in Medellín kommt halt einiges zusammen: Erdbebengefahr, Überfallgefahr und vom Straßenverkehr möchte ich gar nicht erst anfangen. Ich bin kein ängstlicher Mensch, der sich nun deswegen zuhause verkriecht. Aber ich bin hier definitiv vorsichtiger und zurückhaltender als in Deutschland und rechne unterschwellig jederzeit damit, dass etwas passiert.

Welches Visum hast du und wie lange hat es gedauert, das Visum zu bekommen?

Ich bin als Touristin eingereist. Pro Kalenderjahr darf ich als Tourist insgesamt 180 Tage bleiben. Da ich letztes Jahr im Juli angekommen bin, konnte ich bis Dezember bleiben. Nach einem Weihnachtsbesuch in Deutschland bin ich nun seit Januar wieder da und reise im Juli wieder zurück.

Was kannst du über das Leben in Medellin berichten?

Als Reisende oder Auswanderer mit finanziellen Rücklagen lebt es sich in Medellín dank der niedrigen Lebenshaltungskosten sehr gut. Mit den örtlichen Löhnen könnte ich mich selbst aber vermutlich wohl nicht finanzieren oder müsste meinen (gewohnten) Lebensstandard herabsetzen. Das Leben als echter Auswanderer – also mit lokalem Arbeitsplatz und Gehalt – ist mit Sicherheit ganz anders, als das Leben, das ich hier führen kann. Zum „echten kolumbianischen Leben“ kann ich daher wenig sagen.

Was kannst du über die Menschen und die Mentalität sagen?

Ich empfinde die Menschen hier als sehr herzlich und gastfreundlich. Ich mag es, dass die Familie so wertgeschätzt wird und dass man einen sehr engen Kontakt auch zu weit entfernten Verwandten pflegt. Die Gemeinschaft ist wichtig. Nicht nur in der Familie sondern auch in der Nachbarschaft. Man achtet aufeinander. In unserer alten Nachbarschaft wurde zum Beispiel mal ein Geschäft überfallen und innerhalb von Sekunden kamen die Nachbarn und umliegenden Ladenbesitzer aus ihren Geschäften gerannt und nahmen die Verfolgung des Diebes auf.

Die Menschen hier sind sehr stolz. Das führt dazu, dass Fehler nicht eingestanden werden. Wir hatten mal einen Handwerker, der zwei Stunden zu spät auftauchte. Eine Entschuldigung oder Begründung gab es nicht, sondern nur die lapidare Aussage „jetzt bin ich ja da“. Vielfach kommt es auch vor, dass einfach etwas gesagt wird, ohne dass es stimmt. Nur weil nicht man nicht zugeben möchte, dass man eigentlich keine Ahnung hat. Das ist anstrengend.

Hast du ein Lieblings-Restaurant?

Ich habe kein wirkliches Lieblings-Restaurant. Hier in Laureles mag ich die Cafés Revolución oder esse gern koreanisch im „Oppa Asado“. Mit dem typisch kolumbianischen Essen kann ich nicht viel anfangen. Ich mag Ajiaco oder Sancocho, habe aber tatsächlich noch nie Bandeja Paisa gegessen. Von den überall zu findenden Restaurantketten sind Crepes & Waffles oder il Forno meine Favoriten. Und ich liebe Plantain Chips!

Was ist dein Lieblings-Ausflugsziel, dass du empfehlen kannst?

Mein Lieblingsziel ist das „Museo el Castillo“ – einfach weil es noch zu selten in den üblichen Empfehlungen auftaucht. Mit den europäischen Schlössern ist es natürlich nicht vergleichbar. Ein Besuch lohnt sich aber trotzdem. Mein Highlight ist der Park rundherum: man hat eine tolle Aussicht auf die Stadt und kann gemütlich im Gras sitzen und picknicken.

Würdest du Medellin wieder auswählen, wenn du nochmal entscheiden könntest?

Schwierige Frage. Wenn mein Freund nicht hier gelebt hätte, wäre ich vermutlich nicht in Medellín gelandet. Bitte nicht falsch verstehen: ich mag Medellín und vor allem das warme Klima. Dem gegenüber steht aber die schwierige Sicherheitslage und die teilweise echt heftige Luftverschmutzung. Generell hat es mir gefallen, hier zu leben und ich möchte die Zeit und die gesammelten Erfahrungen nicht missen.

Dein persönlicher Tipp?

Die Paisa sind ein geschäftstüchtiges Völkchen und nutzen jede Gelegenheit für ein gutes Geschäft. Zu ihrem Vorteil natürlich. Bei aller Freundlichkeit und Herzlichkeit, muss einem das bewusst sein.

Vielen Dank liebe Karina für das Interview. Ich freue mich darauf bald wieder von dir zu hören. 🙂
Auswanderungs Interview Kolumbien
Im Botanischen Garten laufen die Leguane frei herum.

Wenn dir das interview gefallen hat, und du mir gerne deine Auswanderer Geschichte von Medellin erzählen möchtest, schreib mich gerne an. Ich freue mich darauf von dir zu lesen.

Victory

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